Metrofoyer

Nach Zürich kommen

Vielleicht geht es vielen so: man kommt in einer Stadt an und ist gleich wieder verloren. Wenn man ein Hotel reserviert hat, oder bei Freunden unterkommt, dann hat man natürlich kein Problem: man wird von der Réception oder den Bekannten herzlich begrüsst und kann dann von dort aus weiter in die Stadt ausschwärmen.

Aber wo ist Paris? Vielleicht irgendwo am Boulevard St. Michel, oder bei den alten Warenhäusern. In London begibt man sich zum Piccadilly Circus, in New York zum Times Square. In Madrid ist der Fall klar: Plaza del Sol. In Tokio kann man die Stadt als Stadt vergessen, in Los Angeles sowieso. In Berlin musst du schon wissen, in welchen Kiez du willst.

Die Idee in einer Stadt anzukommen und von ihren Bewohnern begrüsst zu werden, ist wahrscheinlich antiquiert. Heute gibt es nur noch Szenen, Netzwerke, spezifische Interessen. Ich finde aber, sowohl die Städte wie auch ihre Besucher verpassen da etwas.

Ich fand es immer schön, in griechischen Städten auf der Platia, in italienischen auf der zentralen Piazza, in Mexiko beim Zocalo anzukommen. Da ich ein kommunikativer Mensch und begeisterter Plauderer bin, habe ich meist schon nach Minuten Kontakte mit sogenannten Einheimischen. Nach einer Stunde weiss ich in der Regel, wie eine Stadt „tickt“, wo man hingeht, was man isst, und wo man nicht hingeht. Ich bin noch nie in einer Stadt überfallen worden.

Wo kommt man aber in Zürich an? Am besten im Hauptbahnhof. Er sieht prächtig aus. Es gibt eine wunderschöne Halle, aber leider ist sie allzu sehr von Reisenden und Pendlern durchspült um die nötige gemütliche Stimmung aufkommen zu lassen. Und dann? Die Halle entlässt einen auf einen Fluss hinaus, und wenn man Glück hat, wird man nicht vom Tram überfahren und schafft es in die Altstadt. Aber auch da sind keine Zürcher, sondern nur Agglomenschen, die nach Bratwürsten und Pizzas jagen. Die Bahnhofstrasse ist nur noch Business, abends öd und leer.

Aber da gibt es doch diese seltsame Grossbaracke, das Globusprovisorium, an idealer Lage. Du verlässt den Bahnhof und gehst erst mal da hinein. Wie wäre es, wenn daraus die gute Stube Zürichs würde, sozusagen die Réception mit Hyper-Lounge, Mega-Bar usw. von Zürich?

Es gibt eine alte Idee von mir, die ich manchmal Metrofoyer, Globalforum oder Le Monde nannte: Man hat die Baracke abgerissen und ein etwa doppelt so grosses Gebilde (möglichst luxuriös in einem futuristischen Belle Epoque-Stil) auf dem Fluss errichtet. Du kommst in eine breite Galerie (ein bisschen wie in Milano, nur grösser), die von Replikas von berühmten Cafés, Bars und Lounges aus aller Welt gesäumt ist: die Bar des Windsor Hotels in Kairo, die Grassroots-Tavern in New York, ein Wiener Kaffeehaus, eine Bar aus Barcelona (Zürich Bar) oder Neapel (Bar Gambrinus) usw. In diesen Bars würden sich Besucher aus diesen Ländern mit Zürchern und Besuchern von Zürich treffen und Tipps austauschen. Hier kann man ein Hotelzimmer finden, Privatzimmer oder Zimmer in Genossenschaften. Einige Angestellte und Freiwillige geben Auskunft über kulturelle Veranstaltungen, politische Aktualitäten, über VBZ-Abos, über Besuchsmöglichkeiten bei Zürchern. Auch Sans-Papiers können sich hier unbehelligt melden. Im Unterschied zu südlichen Städten brauchen wir eine regensichere, wintertaugliche Plaza, darum die Halle.

Im ersten Obergeschoss geht es dann mehr in die Tiefe: hier gibt es Büros und Läden aller möglichen Akteure (Stake holder): Parteien, Stadtlabor, Vereine, Studiengruppen, NGOs, informelle Initiativen, Ämter. Endlich genug günstige Versammlungsräume und Konferenzzimmer (nicht vergessen: der ÖV ist nahe) für aktive Bürger! In Genf gibt es eine Maison des Associations, die etwa dem entspricht.

Zuoberst das Highlight: ein riesiges Panoramarestaurant mit See- und Bergsicht, mit populären Preisen; und einer Gourmetabteilung, wo es so richtig teuer werden kann. Wer nicht viel Geld hat, ist willkommen, wer viel hat, soll es auch ausgeben (es drohen sonst doch nur Negativzinsen).

Ob das alles rentiert, weiss ich nicht. Wahrscheinlich nicht ganz, denn es ist ein globaler Service public. Sicher kommt Zürich ohne seine Welcome Lobby mit Hyper-Lounge aus, aber es wäre doch etwas ganz Besonderes. Wir wollen ja weltoffen und gemütlich zugleich sein, eben typische Zürcher.

Ich schlage vor: werfen wir die zweihundert Millionen auf und setzen wir unsere Stadt auf die Liste der freundlichsten Städte der Welt.

Hans Widmer